Dieses Erlebnis ist schon vor ein paar Wochen passiert – doch es war so wunderbar, dass es mich noch immer sehr bewegt. Sechs Stunden mit dem Zug zu einer Weiterbildung kostet etwas. Finanziell wie zeitlich. Und manchmal stelle ich mir schon die Frage, ob sich das lohnt, ob weniger nicht auch ok wäre, ob ich mir Professionalität und Weiterbildung so viel kosten lassen soll. Und dann gibt es diese Momente, wo die Antwort auf die Frage einen findet.
Elisabeth*, eine Frau, weit über 70, erzählte mir, dass sie vor über 50 Jahren einen der ersten Banküberfälle miterlebt hat. Ihr Chef war gerade ins Bad gegangen, um den Briefmarkenschwamm anzufeuchten – so was gab´s damals noch. Er hat kein Licht angemacht – und als er aus dem dunklen Gang trat, wurde er von dem Bankräuber erschossen – neben ihr. Sie sollte auch erschossen werden, kam aber wie durch ein Wunder mit dem Leben davon. Nach dem Überfall war sie – natürlich – extrem traumatisiert. Doch in den 60er Jahren gab es kaum psychologische Angebote für traumatisierte Menschen. Sie wurde auf eine Kneipp-Kur geschickt. Die tat ihr tatsächlich gut. Was vermutlich auch daran liegt, dass jede rechts-links Bewegung (etwa Spazierengehen oder wie bei Kneipp Wassertreten) die Stressverarbeitung tatsächlich fördert. Es half etwas – doch der tiefe Schrecken blieb. Ein Jahrzehnt später fand sie zum Glauben. Sie erlebte große Erleichterung, nachdem sie in einem Gottesdienst segnendes Gebet empfangen hatte. Das Trauma verblasste. Was blieb, war Angst vor dunklen Fluren. Wann immer sie in einen dunklen Flur blickte, kam Panik auf, innere Enge, Übelkeit.
Ich erzählte ihr, dass ich unter anderen eine Coaching-Ausbildung namens wingwave gemacht habe, eine Methodik, die hilft, Ängste und Blockaden zu lösen. Die Methode wird viel bei Sportlern eingesetzt, wenn sie bei bestimmten Bewegungen Blockaden haben. Sie ist auch bei Auftrittsangst, Flugangst, Höhenangst, Prüfungsstress und anderen Ängsten und Blockaden sehr wirksam. Wingwave unterstützt – durch Aktivierung der rechten und linken Gehirnhälfte – die natürliche Stressverarbeitung. Nachts – in den sogenannten REM-Phasen – oder eben auch beim Spazierengehen laufen diese Stressverarbeitungsprozesse von selbst ab. Im Coaching macht man das quasi im Wachzustand nach, was oft zu erstaunlich schnellen und dauerhaften Lösungen verhilft.
Bei Elisabeth hatte zu Beginn des Coachings der Blick in den dunklen Flur noch Druck auf der Brust, Enge und Übelkeit ausgelöst. Nach weniger als einer halben Stunde war das entspannt. Sie konnte in den dunklen Flur blicken – und es war ok. Sie spürte keine Beklemmung mehr. Auch ein Stresstest zeigte: Der dunkle Flur löste tatsächlich keinen Stress mehr aus.
Doch hinter dem Banküberfall-Trauma tauchten noch zwei andere belastende Situationen auf – ihr Leben war in der Kindheit schon zwei Mal durch andere Menschen akut bedroht gewesen. Jedes Mal war sie dem Tod nur um Haaresbreite entkommen. Auch das saß ihr noch in den Knochen und in der Seele.
Richtig heftig. Und zugleich nicht untypisch. Oft brechen Leute erst nach der dritten ähnlichen Situation zusammen. Die erste Krise wird oft als Einzelfall abgespeichert: “Kann schon mal passieren.” Die zweite bedrohliche oder belastende Situation als Zufall: “Erstaunlich, dass mir so was gleich zwei Mal passiert.” Wenn dann zum dritten Mal etwas ähnlich Schreckliches passiert, dann empfinden Menschen das als Regel: “Mir passieren immer Katastrophen.” Dann haben viele Menschen keine Ressourcen mehr, sich innerlich dagegen zu wehren. Deshalb kommen im Coaching, wenn eine akut belastende Situation gelöst ist, manchmal noch die Vorläufer ans Licht. Die gute Nachricht: Auch diese Belastungen können gelöst und entertest werden – wie bei Elisabeth.
In Elisabeths Gesicht zu sehen, das sich im Lauf des Coachings zusehend entspannte, war unendlich schön. Der Moment, als sie in den dunklen Flur blickte und keine Angst mehr spürte, war einfach nur wunderbar… wenn ich daran danke, habe ich immer noch Tränen in den Augen – vor Glück. Vor Glück. Und als ich dann später noch hörte, dass nach dem Coaching “nebenbei” noch eine Entspannung ihrer chronisch verspannten Schultern eingetreten war, war das das Sahnehäubchen obendrauf.
Ich bin zutiefst dankbar, dass ich professionelle Ausbildungen habe und weiter machen kann, um Menschen mit aller Fachkenntnis zu helfen… und dass ich alles, was menschenunmöglich ist, meinem guten Gott anvertrauen kann. Dabei zu sein, wenn etwas Wunderbares passiert, ist einfach wunderbar….
Buchtipp: Blockaden lösen. Mein Wingwave-Coach-Kollege Christoph Schalk und ich haben ein Quadro geschrieben, das in die Methodik einführt und erklärt, wie man sie auch im Selbstcoaching für sich nutzen kann.