War ich heute lebendig?
Ja, besonders in den drei Stunden auf dem Dach meines Schiffes…bei Wind und Sonnenschein.
Was habe ich neues über das Leben entdeckt?
Handwerk ist wertvoll. Um die Heizung meines Schiffes in den Bauch des Schiffes herabzulassen, musste eine große Klappe entfernt werden, die mit 82 Schrauben befestigt war. Beim Schließen stellte sich heraus, dass die Dichtung nicht mehr gut war. Also bauten wir neue. Und beschlossen zugleich, die Schrauben ebenfalls mit gummigefütterten Beilagscheiben zu unterlegen, um auszuschließen, dass über die 82 Löcher Feuchtigkeit ins Schiff kommt. Lieferzeit der Beilagscheiben: Eine Woche. Jetzt kamen sie. Es konnte losgehen:
- Runde 1: 82 Schrauben mit den Beilagscheiben versehen.
- Runde 2: Alle Schrauben durch die Löcher stecken.
- Runde 3: Oben musste eine halten (= Ich), während von unten die Mutter mit einer weiteren Beilagscheibe lose draufgeschraubt wurden.
- Runde 4: Oben gegenhalten, während die Mutter leicht festgezogen wurde.
- Zwischenrunden: ca. 10 Schrauben austauschen, deren Gewinde kaputt war – was man erst beim Festschrauben feststellen konnte. Also alles wieder rückwärts.
- Runde 5: Alle Muttern festziehen.
Nach drei Stunden waren wir fertig. Im Schnitt haben wir 2 Minuten pro Schraube gebraucht (die mitgezählt, die wir austauschen und 2 x reinschrauben mussten). Gar nicht so schlecht. Was mich beeindruckt hat: Helge der Bootsbauer wusste ein Dutzend Kleinigkeiten, auf die man zu achten hatte. Zum Beispiel in welcher Reihenfolge man die Schrauben festzieht, um ein Verziehen des Rahmens zu verhindern, dass man sie nicht reinhauen darf, um ein Verziehen zu verhindern. Mein Großvater war zwar Schreiner, aber im Krieg hatte eine Handgranate seinen linken Arm verletzt, so dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte. Von daher hatte ich in meinem Umfeld keine wirklichen Handwerker. Ich bin eher damit aufgewachsen, dass man Dinge im Laden kauft, als dass man sie selbst macht. Ich merke jetzt beim Schiffsbau wie genial es ist, wenn Menschen sich mit Material und dem Umgang damit auskennen. Sehr wertvoll.
Was habe ich neues über mich entdeckt?
Man sieht es mir an, dass ich viel am Schiff war. Als ich mit meiner besten Freundin über die bevorstehende Frauenkonferenz am Wochenende sprach, bei der ich Hauptreferentin bin, meinte sie, ich sollte mir am besten weiße Handschuhe kaufen – meine Hände wären gerade nicht sehr ladylike. Sie hat ja recht, aber Farbe und Lack haben sich so tief reingefressen, dass sie mit Seife und Bürste nicht mehr abzukriegen sind. Was soll´s?