Letzte Woche sah ich auf Ted einen bewegenden Kurzvortrag. Eine Frau, etwas jünger als ich, berichtete davon, wie sie sich als 22-jährige junge Psychologin in ihrer ersten Stelle direkt nach dem Studium in ihren verheirateten Chef verliebte, der eine einflussreiche Position innehatte und mit ihm eine Affäre begann. Sie erzählte einer vermeintlichen Freundin am Telefon davon. Die schnitt die Gespräche heimlich mit, spiele sie in die Hände der Presse. Eine mediale Hetzjagt begann. Menschen beschimpften sie auf der Strasse, Arbeitgeber wollten sie nicht einstellen, weil sie um ihren guten Ruf fürchteten, die Telefonmittschnitte landeten im Internet, wo sie bis heute jeder anhören kann. Ihr Leben war runiniert.
Der Name ihres Chefs: Bill Clinton. Ihr Name: Monica Lewinsky. Monica sprach in dem Vortrag davon, dass sie die ganze Affäre von damals bedauert – aber fragt auch: “Wer hat mit 22 keine Fehler gemacht, die er später bereut?” Aber sie kritisierte massiv, wie die Medien aus Profitgier immer mehr Privates in die Öffentlichkeit ziehen. Und wie wir alle das unterstützen. Jeder Klick auf eine Seite, die Privates öffentlich macht, bedeueted Geld. Mehr Werbeeinnahmen. Mehr Cash.
Sie rief zu Enthaltsamkeit auf. Solche Nachrichten nicht zu konsumieren. Und sie rief zu Ermutigung auf. Da, wo Menschen online fertig gemacht werden, Worte der Ehre, Wertschätzung und der Liebe auszusprechen.
Am Tag, nachdem ich ihren Vortrag gehört habe, starben 150 Menschen bei einem Flugzeugabsturz in den Alpen. Es ist das Schicksal anderer Menschen, über das ich keine Details wissen muss. Ich habe mich entschieden, so wenig wie möglich darüber wissen zu wollen, mich der Sensationssucht zu entziehen. Nicht einfach bei der medialen Überflutung, wo jeder seine Meinung über den Piloten, seine Motive, Verschwörungstheorien, Meinungen und offizielle Stellungnahmen von sich gibt – egal ob er nun wirklich Substantielles zu sagen hat oder nicht. Wo selbst in Artztpraxen in Endlosschleifen die Berichterstattung läuft. Aber ich will nicht mit meinen Klicks die Sensationsmaschine am Laufen halten.
Am Tag danach eine ganz andere Tragödie. Ein enger Freund von mir, Matthias Beyer, hat ein Aneyrisma (eine Aterienvergrößerung) entwickelt und musste notoperiert werden. Auch über diese Tragödie wurde informiert. Aber ganz anders. Nicht aus Sensationslust, sondern um die Menschen zu informieren, denen Matthias am Herzen liegt. Es tat – in der weiten Entfernung – so gut, alle paar Stunden nachlesen zu können, wie es ihm gerade geht.
Und es half, um um gemeinsam zu tun, was man in so einer Tragödie tun kann: Beten, einstehen, geben. Hunderte von Menschen schlossen sich dem Gebet an. Ein Hilfsfond wurde für die Familie eingerichtet, um die Krankenhauskosten und den Verdienstausfall abzudecken – bisher haben sich fast 200 Menschen daran beteiligt, um wenigstens praktisch zu helfen – echte Solidarität.
Als gestern die schlimmste aller Nachrichten kam – dass seine Gehirnfuktionen ausgesetzt haben – war auch das feinfühlig: “Wir haben die Grenzen des Menschen möglichen erreicht. Das Gehirn von Matthias funktioniert nicht mehr. … Wir haben mit diesem Post gewartet, bis wir die Familie informiert haben…”
Ich kann nur weinen… und – wider alles menschlich Denkbare – hoffen, dass das noch nicht das letzte Wort ist. In der Sitaution, auf der anderen Seite des Atlantik zu sein, wenn ein ganz wertvoller Mensch um sein Leben kämpft, hat es mich getröstet und gestärkt, gut und sensibel, realisitsch und zugleich hoffnungsvoll informiert zu werden.
Sensible, feinfühlige Berichterstattung, mit dem Ziel, miteinander Leid zu tragen und zu helfen – so geht es auch.
Es macht Mut so viel schönes zu sehen