Es begann im November 2015. In Berlin und weit darüber hinaus ging die Situation an unserem Landesamt für Gesundheit und Soziales, wo auch Geflüchtete betreut werden, durch die Presse. Menschen warteten Tage- und Nächtelang auf Registrierung, Termine. Es war katastrophal. Und hat mich bewegt. Im Herzen und zum Handeln.
Ich hab mich gefragt, was ich tun kann. Und habe – in meinem Freundeskreis und bei einer Teefabrik aus meiner früheren fränkischen Heimat – erst mal gut 40 Kilo Tee als Spende organisiert. Das half in den kalten Nächten wenigstens etwas.
Dann habe ich die Facebook-Gruppe Volunteer Translators initiiert, um kurze Texte schnell mal in die Sprachen der Geflüchteten übersetzen zu können. Um die Geflüchteten und die Helfer zu entlasten. Und schließlich Nestwerk Berlin gestartet, eine Plattform der InitInitiativen, die sich um Wohnraum für Geflüchtete bemühen. Mit dem Ziel, gemeinsam effizient mehr zu erreichen. Daran arbeite ich intensiv bis jetzt. Aktuell vor allem an der Homepage.
Ich ging davon aus, dass solche Situationen sich nicht von heute auf Morgen ändern. Ich wollte Gott regelmässig um die Verbesserung der Situation bitten, aber kenne mich gut genug, um zu wissen, dass solche Vorsätze gern mal im Sand verlaufen, wenn es keine konkrete Erinnerungshilfe dazu gibt.
Also habe ich mir als Erinnerungshilfe den gleichen Tee gekauft, den wir auch für die Flüchtlinge besorgt hatten. Vorsichtshalber gleich zweihundert Teebeutel.- man weiß ja nie, wie lange es dauert, bis ein Gebet erhört wird. Jedes Mal, wenn ich mir eine Tasse schwarzen Tee gemacht habe, habe ich gebetet. Für die Berliner Verwaltung, für die Verantwortlichen, für gute Lösungen für die Herausforderungen, für Verbesserung der Prozesse.
Ein Gebet nach dem anderen. Jedes Gebet ein Same.
Natürlich hätte ich ahnen können, dass Gott sich die Chance nicht entgehen lässt, mich auch zur Erhörung meiner Gebete einzuspannen. Anfang Mai ging – nach 200 Tassen Tee und Gebeten – mein Teevorrat zu Ende – und dann überschlugen sich plötzlich die Ereignisse.
Ahmad, ein Freund aus Syrien, erzählte mir davon, dass es ihm dieses Jahr vor dem Ramadan graut. Der Grund: Die Fastenzeit, in der zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nichts gegessen und getrunken werden darf, fällt auf die längsten Tage des Jahres vom 6. Juni bis 4. Juli. Das bedeutet: einen Monat lang 19 Stunden lang nichts essen und nicht trinken.
Ich fühlte mit ihm mit. Und mit den Flüchtlingen in den Turnhallen, von denen ein Teil Ramadan hält und die vielleicht Nachts nichts mehr zu essen bekommen. Und den Nicht-Moslems, die womöglich gestresst durch diejenigen sind, die Nachts essen und laut sind. Mich lies das nicht mehr los. Bei einer öffentlichen Veranstaltung mit Bürgermeister Müller fragte ich, ob es denn ein Konzept für die Notunterkünfte gäbe, wie in dieser Zeit Versorgung der Fastenden, ihre Gesundheit und der sozialer Friede zwischen denen, die fasten und denen, die es nicht tun, gewährleistet werden kann.
Er sagte mir zu, er würde das am nächsten Tag in der Senatsbesprechung ansprechen. Und am Nachmittag erhielt ich einen Anruf von dem für die Unterbringung von Geflüchteten zuständigen Staatsekretär. Wir unterhielten uns eine Weile und er bat mich, ihm mein Konzept zu schicken… Er schrieb mir, dass er das Konzept für wertvoll hält und es dem Präsidenten das LaGeSo zur Umsetzung empfohlen hat. Das ist mein letzter Wissensstand.
Mich berührt das sehr. Ich glaube, dass es ein Stück dazu beitragen kann, dass die Situation in der Zeit des Ramadan für alle Beteiligten besser wird- Muslime wie Christen und Atheisten. Fastende wie Nichtfastende.
Und dann ging mir mehrere Tage nicht mehr aus dem Kopf, dass Herr Müller gesagt hatte, dass er eine Bürgersprechstunde hat. Ich schaute nach, stellte fest, dass die nur zwei Mal im Jahr ist und ich die Anmeldefrist knapp verpasst hatte. Und bekam gleich online die Rückmeldung, dass es mehr Interessenten als Termine gab. Rechnete mir kaum Chancen aus, bis ich an einem Samstag! einen Anruf seines Mitarbeiters erhielt, ich hätte einen Termin.
Der Termin war dann heute. Ich war natürlich aufgeregt, hab mir, kurz bevor ich los ging die Zähne versehentlich mit Gesichtsreinigungsmilch geputzt. Zum Glück Bio. Und es war gut. Weil die Person vor mir kurzfristig abgesagt hatte, war sogar mehr Zeit als üblich. Ich konnte Herrn Müller ein Konzept vorstellen, das wir entwickeln, um Geflüchtete schneller aus Turnhallen in eigenen Wohnraum zu bringen und er sagte mir zu, mich mit den Verantwortlichen in Kontakt zu bringen.
Dann sprach ich das Thema Schutz Minoritäten in den Flüchtlingsunterkünften, sowie verbesserte Integration aller an und machte einige konkrete Vorschläge, worauf er mich fragte, ob ich ein Konzept hätte. Hatte ich tatsächlich. Und auch dabei.
Irgendwann mal vor einem halben Jahr hab ich begonnen, Samen auszusäen. Samen des Gebets. Samen des Engagements. Ich hätte nicht gedacht, dass sie mich mal an den Tisch des Regierenden Bürgermeisters von Berlin führen würden, hätte ich nicht gedacht. Und jetzt hoffe und bete ich, dass die Gedanken, die für meine Stadt und unser Land hilfreich sind, weiter wachsen.