Während ich das schreibe ist gerade mal wieder Stromausfall seit ein paar Stunden. Das passiert hier im Süden Äthiopiens fast jeden Tag. Mein Laptop hat glücklicherweise noch 34% Akku.
Ich will euch gern mit hinein nehmen in meine Zeit hier.
Ich habe in Sendafa bei Addis Abbeba, was übrigens Neue Blume heißt sieben begeisterte Äthiopier in einfachen Stress- und Traumabewältigungs-Strategien trainiert. Dabei habe ich einiges von meinen Wingwave Kenntnissen, aber auch andere Coaching-Strategien weitergegeben.
Das Training selbst und meine Schüler, die selbst wieder andere ausbilden werden, war einfach klasse. Alle waren aktiv dabei, haben viele Fragen gestellt usw. Ich habe auf Englisch unterrichtet, die Übungsgruppen aber auf Amharisch gemacht.
Körperlich war es sehr anstrengend. Wir sind in einem schlecht gefederten Minibus täglich 4 Stunden durch Stadtverkehr und zum Teil holprige Straßen zum DenTrainings- und Freizeitzentrum gefahren, um in das Zentrum der äthiopischen Organisationen „Child Development Training & Research Center“ (CDTRC) gefahren, das wunderschön gelegen ist. Derzeit fehlen aber die Mittel für weiteren Ausbau. Derzeit gibt es nicht mal fließend Wasser und erst die Hälfte der benötigten Summe für einen neuen Kleinbus fürs Team ist da. Wenn ihr Kapazitäten und Lust habt, dieses ein ganzes Land verändernde Projekt zu unterstützen gibt es Infos hier
An einem Tag war ich sehr schwach, musste mich zwischen den Unterrichtseinheiten hinlegen. Aber es ging trotzdem.
Auswirkungen
Das Ergebnis des Trainings und der Einzel-Coachingstunden mit fast jedem Teilnehmer kann man sicher nicht messen. Doch einiges ist schon sichtbar: Sieben engagierte Menschen, welche grundlegende Methoden erlernt haben, um Stress und Trauma zu reduzieren und voll motiviert sind, sie anderen weiterzugeben.
Ich habe mein Training oft mit den Health Posts, den Basis-Medizinstationen überall im Land verglichen, deren Leiter kein ausführliches Medizinstudium, aber Grundlagen der Wundversorgung kennen und mit ihrem Wissen Tausenden von Leben retten.
Frieden und Versöhnung
Ein besonderes Highlight: An einem Nachmittag habe ich darüber gelehrt, dass wir alle nicht nur Individuen sind, sondern Gruppen repräsentieren: Frauen, Lehrer, Deutsche, Äthiopier, Bayern, Oromo, Europäer, Afrikaner. Und dass wir diese Repräsentanz nutzen können, um zu sagen: „Als Lehrerin bitte ich dich um Vergebung für das, was Lehrer dir angetan haben.“ Als meine Schüler das miteinander übten (Ich hab immer alles gleich praktisch üben lassen) flossen Tränen und es geschah Heilung.
Auswirkungen
Ein Teilnehmer erlebte beim Training Heilung von der Angst, die Hauptstadt zu verlassen, die ihn seit einem Überfall, der ihn fast das Leben gekostet hat, quälte.
Eine andere Frau war mal in einem Aufzug eingesperrt und ging seitdem in keinen Aufzug mehr rein. Nachdem ich mit ihr das Trauma gelöst habe, fuhren wir gemeinsam Aufzug und sie jubelte ihrer Freundin zu: „Ich hab es geschafft!“
Ein junger Mann, der miterleben musste, dass seine Mutter ertrank und er sie nicht wiederbeleben konnte, sagte mir nachdem ich ihm die Methodik beigebracht habe: „Meine Gefühle fühlten sich immer wie ein schwarzes Loch an. Ich wusste nicht, was ich machen soll. Jetzt habe ich zum ersten Mal Hoffnung, dass es gut werden kann.“
Sein Bruder sagte: „Das ist wirklich gute Nachricht. Gute Nachricht! Erlösung.“
Einer meiner Schüler sagte: „Wir haben schon einiges über Trauma gelernt, aber das ist das erst praktische Werkzeug, das uns hilft, Trauma zu bewältigen.“
Multiplikation
Mein Traum ist, dass das, was ich vermittelt habe, weiter wirkt und verbreitet wird. Und das geschieht schon. Einer meiner Schüler hat schon nach der ersten Stunde seiner Sonntagsschulklasse beigebracht, was er gelernt hatte. Und seinem Sohn, der als er die innere Veränderung bemerkte sagte: „Papa, das ist ja wie zaubern!“
Ein anderer meiner Schüler, brachte das Ent-Stressen seinen Söhnen bei. Am nächsten Morgen sagte der 5-Jährige, der oft Alpträume hatte: „Papa, können wir das wieder machen, was wir gestern gemacht haben. Ich hab noch nie so gut geschlafen!“
Jetzt hoffe ich auf weitere Multiplikation. Alle meine Kursteilnehmer haben gesagt, dass sie es anderen beibringen wollen: Ihren Frauen, Kindern und natürlich den Leuten, die sie ausbilden.
Am letzten Tag in Addis konnte ich noch ein mehrstündiges Kurz-Training für 17 einheimische Leiter von Organisationen wie World Vision und Compassion anbieten. Es gibt also jetzt 25 Menschen in Äthiopien, die das vermitteln können, was ich gelehrt habe.
25 auf über 100 Millionen Menschen – das wirkt wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber alle haben versprochen, das anderen beizubringen und ihre Schüler aufzufordern, das auch anderen beizubringen. Wir haben einen englischen Handzettel gemacht, den wir auch ins Äthiopische übersetzen werden.
Wenn jeder nur einer Person vermittelt, was er gelernt hat und sie ermutigt, es anderen zu sagen, sind es in 6 Monaten 1600 Menschen, in 12 Monaten über 50.000 Menschen.
Der Leiter von CDTRC hat mich eingeladen, wieder zu kommen. Ich würde gern weiter in das Land investieren und kann mir vorstellen, mit Hilfe meiner Schüler auch größere Gruppen von Leitern, Lehrern, Trainern zu trainieren. Ich wünsche mir, ein ganze Land dabei unterstützen zu können, Traumata zu überwinden.
Vor einigen Monaten gab es starke Unruhen, Menschen wurden getötet, es war schrecklich für alle. Ein Leiter sagte mir: „Die Unruhen haben mir gezeigt: Wenn kein Friede da ist, sind alle anderen Bemühungen umsonst!“
Von daher bin ich dankbar für alle, die mich ganz praktisch unterstützt haben, um diese Zeit hier möglich zu machen. Es ist mein Wunsch und mein Gebet, dass ich weiterhin dazu beitragen kann, dass Menschen Frieden finden – für sich persönlich und zwischen den einzelnen Volksgruppen.
Meeeega genial Kerstin!!! Ich glaube ich mag mich da nochmal detaillierter mit Dir austauschen.
Herzliche Grüße von der anderen Kerstin 🙂
Vielen Dank für die lieben Worte! Gruß an dich!