„Papa und ich“: Begegnung mit William Paul Young

Heute führte ich das erste Interview meines Lebens:  Mit William Paul Young, dem Autor von „Die Hütte„. Das Magazin „Neues Leben“ hatte mich gebeten, für einen ausgefallenen Redakteur einzuspringen. Das tat ich gerne. Es war mehr als ein Interview. Es war eine Begegnung mit einem Menschen, der in sich selbst und Gott zu Hause ist.
Da ich vom Interview ja vor dem Abdruck nichts preisgeben will, um Neues Leben nicht die Show zu stehlen, erzähle ich euch einfach ein bisschen vom „Drumherum“.

Tee und Familie

„Hast du das schon mal probiert? Das schmeckt ja ekelhaft.“ Mit diesen Worten zeigte Paul Young auf eine Tasse Mate-Tee, den eine Mitarbeiterin ihm gebracht hatte. Lachend schob er die Tasse auf die Seite und wandte sich mir zu.
Ich fragte ihn: Willst du noch etwas über mich wissen, bevor wir mit dem Interview beginnen? Ja, das wollte er. Doch er fragte mich nicht nach meinem Beruf, meiner Qualifikation, sondern nach meiner Familie!

Hütte-Seminare

Ich erzählte ihm auch von unseren Seminaren. Ich hatte inspiriert durch sein Buch das Seminar „In seiner Hütte“ entwickelt. Es ist für Menschen gedacht, die sich danach sehnen, (wieder) in Beziehung mit Gott zu treten, aber nicht wissen wie.  Nicht jeder Autor mag es, wenn man seine Ideen aufgreift und weiterentwickelt. Doch Paul Young reagierte anders. Ich erzählte ihm, dass bei den Wochenenden manche Menschen – manchmal zum ersten Mal seit Jahrzehnten – Belastendes loslassen können. Er strahlte über das ganze Gesicht: „Das ist wunderbar!“

Seine Geschichte und Gottes Humor

Paul Young hat ganz offensichtlich Interesse an Menschen und ihrer Geschichte. Das war mir schon vor dem Interview aufgefallen. Am Morgen hielt er einen bewegenden Vortrag. Er erzählte die Entstehungsgeschichte des Buches „Die Hütte“ und wie es Verbreitung fand. Er erzählte davon, wie ein 84jähriger Mann ohne Internetanschluss und Bankkonto zu einer der Schlüsselpersonen für die Verbreitung des Buches in Australien wurde. „Das war unsere Marketingstrategie für Australien!“ sagte er mit mehr als einem gehörigen Schuss Selbstironie.

Man spürte ihm ab, dass er sich immer noch die Augen rieb, den Kopf schüttelte und sich fragte: „Ist das real, was ich erlebe? Ist das wirklich meine Geschichte?“ Dass er als unbekannter Autor einen derartigen Weltbestseller schrieb, kann er nur mit zwei Worten beschreiben: „Gottes Humor!“
„Woher kommt Humor, wenn nicht von Gott?“ Die Frage überraschte wohl den einen oder anderen Zuhörer. Manch einer denkt, so Young, Gott sei wie ein „schlechtgelaunter Gandalf“ (O-Ton: „Gandalf with an attitute“). Youngs Gott hingegen hat keine grundlos schlechte Laune. Er ist den Menschen vielmehr mit aktiver Liebe zugewandt. Young brachte mit jedem Satz, den er sprach, zum Ausdruck, dass er das zutiefst glaubte: Gott liebt die Menschen. Und er möchte in einer Beziehung zu ihnen stehen.
Viele Zuhörer und sogar die Übersetzerin hatten Tränen in den Augen. Manchmal vor Rührung. Manchmal vor Lachen. Paul Young erzählte von der Kritik die er dafür erhielt, dass er Papa Gott in die Gestalt einer dicken schwarze Amerikanerin kleidete. Das konnte nicht jeder gut schlucken – einschließlich seiner Mutter, die ihn anfangs für einen Häretiker hielt.

Er blieb locker: „Die Bibel verwendet viele Bilder, um die mütterliche Seite Gottes zu beschreiben: Den Gott, der ein Neugeborenes versorgt oder der sein Volk wie eine Glucke unter seine Flügel nehmen will. Ich hätte Gott in meiner Geschichte auch als dicke Henne durch die Tür kommen lassen können – aber das hätte einfach nicht den gleichen Effekt gehabt.“

Signierstunde

Die Schlange war 40 Meter lang. Young begrüßte jeden einzelnen Menschen, der an seinen Tisch kam mit Handschlag und einigen freundlichen Worten. Dann  setzte er sich, schrieb eine persönliche Widmung und stand dann wieder auf, um die Person zu umarmen. Manche nur kurz. Andere, bei denen er wohl spürte, wie sehr sie Zuwendung brauchten, nahm er eine halbe Minute oder länger in den Arm.
Ich weiß nicht, wie lange er signiert hat. Ich sah eine halbe Stunde lang zu. Dann ging ich zu einem leckeren Mittagesssen. Als ich zurück kam, signierte er wieder oder immer noch. Eine weitere halbe Stunde lang. Er wandte sich jedem Menschen achtsam zu. Ich konnte mir erstmals richtig gut vorstellen, wie es aussah, wenn es in der Bibel heißt, dass Jesus die Menschen verabschiedete.  Nicht mit distanziertem Segensgruß aus der Ferne. Sondern persönlich und nah.

Familie und Heilung

Während Paul Young signierte, kam ich mit seiner Frau und seiner Tochter ins Gespräch. „Nein, das Buch hat ihn nicht verändert. Die Veränderung fand vorher statt.  Klar, seit dem er das Buch geschrieben hat, lernen wir neue Leute kennen. Aber ansonsten hat es unser Leben und unser Miteinander als Familie nicht verändert.“ Das sagten mir Mutter und Tochter übereinstimmend.

Kim Young, Pauls Frau, führte das näher aus: „Eine Veränderung war, dass er vor seinem Heilungsprozess immer recht haben musste. Er war schon immer ein sanfter Mann. Aber früher musste er immer Recht haben. Das gab ihm Sicherheit.  Das braucht er jetzt nicht mehr. Ich selbst bin mitfühlender geworden, seit ich an ihm gesehen habe, wie viel ein Mensch mitmachen kann und wie ihn das zerbrechen kann.“

„Veränderung“ und „Prozess“ – das sind zwei Worte, die ich später im Gespräch auch aus Paul Youngs Mund immer wieder höre. Er wünscht anderen das gleiche, was er selbst erlebt hat: Dass sie Gott in ihre „Hütte“ lassen. Die „Hütte“ ist für ihn eine Metapher für den Ort im Inneren unseres Herzens. Dort, wo alles eingeschlossen ist, was wir lieber verborgen halten: Schmerz, Zerbrochenheit, Geheimnisse, Süchte und Ängste. Er wünscht Menschen, dass sie erleben, dass Gott in ihre Hütte kommt, sie annimmt und liebt… und annimmt und liebt… und annimmt und liebt. Und dann verändert.

„Nach diesem 11 Jahre dauernden Prozess waren meine Frau und ich zwei der innerlich gesündesten Menschen, die wir kennen.  “ (O-Ton „most healed people“). Aus dem Mund von Paul Young klingt das nicht arrogant. Sondern eher wie das Staunen eines Kindes über ein Wunder.

Paul Young ist noch bis zum 23. September 2010 in Europa: Wien 22. 9. , Bern 23. 9.


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2 Kommentare

  1. Das hört sich WIRKLICH himmlisch an. Danke fürs Teilen – lass mich wissen, wenn die Ausgabe erschienen ist, dann muss ich mir auch eine holen. :)Gott ist so genial an Menschen am Arbeiten, mit so viel Feingefühl – klasse, wenn man das im Anderen wahrnehmen kann.

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