Volles, wundervolles Leben

DSC_4184Mein Leben ist gerade voll. Sehr voll. Jedes Wochenende bis Ende November berufliche Termine. Daneben Verlag, Schiff, Willkommenskultur-Quadro kommunizieren und selbst, wo ich kann, in der Notunterkunft bei mir um die Ecke mithelfen. Zur Zeit vor allem, in dem ich organisiere: Übersetzungen, Medikamente, Brillen, Kopfhörer, Kleidung. Die Zeit, um eine der langen Schichten zu übernehmen, um in Ruhe mit Bewohnern Zeit zu verbringen hatte ich bisher – abgesehen vom Konzert – noch nicht. Warme Kleidung und Medikamente für die 100 Flüchtlinge, die in diesen Tagen neu dazu kommen, zu organisieren war erst mal wichtiger.

Mein Leben ist voll. Wunder-voll.

Heute Morgen holte ich bei der Apotheke um die Ecke drei Tüten (!) mit Medikamenten für die Notunterkunft ab. Zeitgleich gingen die Tochter eines iranischen Flüchtlings und eine Schweizer Besucherin, die gerade auf dem Schiff ist, zum Hotel Ibis und halfen mit 200 x Bettzeug für unsere Notunterkunft zu verpacken. Am Nachmittag ging ich zum Schiff, freute mich an dem dunkel- und dem hellhäutigen Jungen, die miteinander spielten. Da half eine arbeitslose Berlinerin mir zusammen mit der Schweizerin die Decke im Wohnzimmer zu streichen. Gemeinsam haben wir den größten Teil geschafft.

2015-10-14 16.16.05Die Schweizerin tröstete mich, weil mich ein Facebook-Beitrag . jemand hatte Frau Merkel alles erdenklich schlechte – mich so getroffen hat, dass ich Weinen musste. Man kann ja politisch einer anderen Meinung sein, aber muss man deswegen unmenschlich werden. Vielleicht bin ich zu sensibel, aber mir hat das einfach so weh getan, das zu lesen. Sie hat mir zugesprochen, dass mich Gottes Segen umhüllen soll wie ein wärmendes Tuch, das mich vor der Kälte schützt.

In der S-Bahn sah ich dann, wie ein junger Mann afrikanischer Herkunft einer türkisch aussehenden Frau hinterher sprang und ihr ihre Geldbörse in die Hand drückte, die sie hat leichenblassen. Bei Butter Lindner erhielt ich neben den Hähnchenschlegel, den ich kaufte noch einen zweiten geschenkt. Und bei der Post brachte mir die Angestellte mein schweres Paket zur Tür. Und schließlich sagte mir meine Nachbarin – die ein Auto hat – zu, die Dinge, die ich nicht selbst zur Unterkunft bringen kann, mit dem Auto hinzufahren.

Jetzt genieße ich den Luxus eines elektrischen Fussmassagegerätes, höre klassische Musik und freue mich über den Feierabend, der jetzt anbricht. Mein Leben ist voll. Wunder-voll.

 

Ähnliche Beiträge