Wie Bäume zusammenwirken und trösten
Gerade sitze ich an einen von drei mehr als einen Meter dicken Baumstümpfen, die das Meer an den Sand gespült hat. Es tut gut, einen Baum im Rücken zu haben. Das gibt Halt und Stabilität.

Kein Baum lebt allein
In Neuseeland gibt es Kauri Bäume, die – ähnlich wie die Redwoods – bis zu 4000 Jahre alt werden. Ihre Wurzeln reichen – wie etwa bei dem 2000 Jahre alten Tane Mahuta gut zu 100 Meter weit. Sie gehen erstaunlicherweise nicht sehr tief in die Erde. Damit ein großer Kauri sicher steht, braucht er das Gewicht anderer Bäume, die ihm Halt geben.

Für mich war das ein Bild für Beziehung in Freundschaft und Familie. Die lebendigen Menschen im engeren und weiterem Umfeld, stärken und halten mich mit fest. Und wenn einer der Genossen stirbt, dann beeinflusst das die eigene Stabilität. Man fällt nicht gleich mit um, aber die Erschütterung und der Verlust von etwas Stabilität, Schatten und Nahrung ist schmerzlich spürbar.
Meine Reise begann ja mit der Nachricht, dass langjährige Freunde von mir, Chris und Susanna Naylor, bei gemeinsam mit Melinda Harris, der Mitgründern der Naturschutzorganisation A Rocha einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen sind.
Susanna kannte ich seit 34 Jahren. Sie war ein Baum in meiner Nähe, die mir mit ihrem Vorbild, ihrer Zuwendung und ihren Gebeten Halt gab. Chris kannte ich nicht so gut, aber seine Liebe zur Schöpfung, besonders zu den Vögeln hat mich inspiriert und angesteckt.
Nach ihrem Tod verwendete ich zuerst das Bild von einer Klippe, die in meinem Leben abgebrochen ist, um den Verlust zu beschreiben. Dann aber hörte ich von den Baumfamilien und dachte: Das drückt es besser aus. Sie haben mir Halt gegeben, Windschatten, Ermutigung – und ich ihnen hoffentlich auch. Und wir waren Zeugen des Leben der jeweils anderen.
Dort wo in meinem Leben Raum für sie war, wird irgendwann Raum für andere Bäume werden, neue Beziehungen, die auf ihre Art wachsen und stabilisieren. Sie werden anders sein und die beiden nicht ersetzen können. Doch sie werden mich auch nähren und stärken und ich sie.
Wenn Bäume sterben, geben sie weiter
In einem Nationalpark setzte ich mich unter den Schatten eines großen Kauri-Baumes, um über den Verlust meiner Freunde zu trauern, Tagebuch zu schreiben und zu beten. Ich beobachtete die Vögel, die Chris so geliebt hat und schrieb Erinnerungen auf. Ich trauerte und dachte an Sam, Chloe und Josh – ich kann nur ahnen, was der Verlust für ihre drei Kinder bedeutet…was ihnen fehlen wird.
Gerade als ich meinen Gedanken nachhing, spielte ein Mann die Aufzeichung an einer Infotafel in meiner unmittelbaren Nähe ab. „Wenn ein großer Baum stirbt und umfällt, dann gibt er noch etwa 100 Jahre weiter Nährstoffe an Vögel und Insekten ab.“
„Das ist auch in Bezug auf große Menschen wahr!“, dachte ich. „Auch wenn sie nicht mehr da sind, nähren sie weiter.“ Ich dachte an das Buch von Chris, das die Liebe zur Schöpfung und zu den Menschen groß macht und das auch weiter wirken wird.
Ich stellte mir vor, wie die Kinder in Gedanken bei schwierigen Situationen überlegen, was Susanna oder Chris wohl getan hätten. Oder auch wie die Erinnerung an die Liebe, die geteilten Momente und all das Schöne sie stärkt.
Ein großer Baum nährt die Umgebung noch 100 Jahre lang. Ein großer Mensch tut es auch.