Begegnung mit New Yorker Juden
Ich genieße die ruhigen Morgenstunden, bevor ich mich auf dem Weg ins turbulente New Yorker Leben machen, um ein wenig zu erzählen….
Als ich Gestern Morgens in Brüssel in die Maschine nach New York stieg fiel mir wieder auf, wie viele Juden auf der Strecke fliegen – viele erkennbar an der Kippa, den dunklen Anzügen und Hüten, manche mit Schläfenlocken und Bärten, andere ohne, manche Frauen aus konservativen Familien mit Kopftuch unter dem sich nur dann und wann eine Locke hervorstahl.
Der Jude, der mit seinem Sohn hinter mir saß, hatte bei der Fluggesellschaft koscheres Essen vorbestellt, da das nicht standardmässig an Bord erhältlich ist. Das hatte nicht geklappt. Wie schon vor zwei Jahren nicht, als – ebenfalls auf dem Flug nach New York – ein jüdisches Paar neben mir saß, die auch kein Essen hatten. Ich konnte ihnen nicht einmal etwas von mir anbieten. Nach meiner – begrenzten – Erfahrung scheint das öfter zu passieren, dass das mit dem Essen nicht klappt. Ich frage mich, warum die Fluggesellschaften keine Schlüsse daraus ziehen und auf Strecken, die von Juden frequentiert werden, standardmässig zwei oder drei koschere Essen mehr an Bord haben. Vermutlich ist das Problem bei den Verantwortlichen noch nicht angekommen.
Im Büro einer Freundin hab ich meinen Koffer abgegeben und mich auf den Weg zum Bryant Park gemacht. Nach Abenteuer war mir noch nicht, erst mal nach entspannen und ausruhen. Dort betrachtete ich die Menschen, als mich ein älterer jüdischer Herr ansprach. Vielleicht 60 oder 70….bei Männern mit Bärten kann ich das schwer abschätzen. Er fragte mich, warum ich so warm gelächelt hätte. Ich erzählte ihm, dass ich gerade darüber nachgedacht habe, wie vielfältig und bunt die Menschen sind, die hier in diesem Park sind.
Er: „Dann bist du nicht von hier, sonst würde es dir nicht auffallen.“
Wir kamen ins Gespräch. Ich war erst etwas unsicher. Ich kenne mich zu wenig aus, um an der Kleidung abschätzen zu können, wie konservativ jemand ist. Ich weiß, dass manche ganz orthodoxe Juden gar nicht mit fremden Frauen sprechen würden – erst recht nicht mit welchen, die mit schulterfreien Tops im Park liegen. Er fragte mich, ob ich verheiratet sei und Kinder habe. Als ich verneinte, wollte er wissen, warum nicht…Normalerweise finde ich derartige Fragen eher etwas zu indiskret, aber hier schwang echtes Verstehen wollen des für ihn Unverständlichen mit.
Er erzählte mir von seiner Familie. Seine Eltern aus Bratislava und Ungarn hatten den Holocaust überlebt, der Vater hatte in New York einen Handel mit Stoffen begonnen, den er, Joe, weiterführen würde. Der für mich typsich amerikanische Name schien für mich eher zu einem durchtrainierten Baseball-Spieler zu passen als zu einem älteren jüdischen Herrn, der unser Gespräch immer wieder unterbrach, wenn jemand ihn anrief und er auf Jiddisch Dinge erklärte und Anweisungen gab.
Joes Mutter hatte 7 Kinder – und mittlerweile hat sie 250 Nachkommen. Joe allein hat mit seinen 7 Kindern und mittlerweile 53 (!) Enkeln erheblich dazu beigetragen. Er erzählte mir von einer anderen Frau, die nach dem Holocaust mit 11 Kindern in die USA gekommen war und zum Zeitpunkt ihres Todes mehr als 3000 Nachkommen (Kinder, Enkel, Urenkel, Ur-Urenkel hatte). Angesichts des Millionenfachen Todes im Holocaust ist es für ihn ein Wunder, wie die Juden, die in New York leben, sich vermehrt haben. Ein Wunder. Hoffnung. Sinn.
Er erklärte mir, dass Sympathie und gern zusammen sein, bei der Partnerwahl wichtig wären. Aber das das noch keine Liebe sei: „Liebe wächst mit den Kindern. Am Anfang ist Verliebtheit da. Aber das trägt nicht. Wofür soll man denn leben. Für ein Haus, für ein Auto. Nur Kinder schweißen zusammen.“
Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn in allem zustimme. Aber ich kann es verstehen.
Er bat mich, wenn ich wieder in den Park käme, zum gleichen Platz zu gehen…damit er mich finden könnte, falls ich da wäre. Ein warmes Willkommen in einer fremden Stadt.
Mein erster Tag in New York.
Liebe Kerstin,
du bist also wieder in New York!!!!!!!! Wie cool. Hatte mich schon gefragt, wohin deine Reise diesmal geht und freue mich aufrichtig, dass es New York ist. Wie gerne wäre ich auch mal wieder in dieser einzigartigen Stadt & im Hot N Crusty Pizza essen:-).
Habe gerne von deiner Begenung mit dem netten Herren gelesen und ich glaube, das „Begegnungen“ unser Leben reich, bunt und intensiv machen.
Freue mich, immer wieder deine „Erlebnisberichte“ zu lesen und bin sehr gespannt, was du noch so alles in dieser „bunten“ Stadt erleben wirst!
Möge Gott dir einen vielfältigen und erlebnisreichen „Urlaub“ schenken :-).
Liebe Grüße,
Eli