Kostbare Räume schützen

In der Bibel wird beschrieben, wie Jesus an einem Tag alle Händler aus dem Tempel vertreibt: Er sah im Tempel viele Händler, die Ochsen, Schafe und Tauben als Opfertiere verkauften. Auch Geldwechsler saßen hinter ihren Tischen.Jesus knüpfte aus Stricken eine Peitsche und jagte die Händler mit all ihren Schafen und Ochsen aus dem Tempel.“ Aus Johannesevangelium Kapitel 2

Ziemlich radikal, mit handfestem Körpereinsatz und drastischen Worten. Eine der härtesten Geschichten im neuen Testament. Das Auftreten ungewöhnlich intensiv und heftig. Nirgendwo sonst wird in der Bibel erzählt, dass Jesus körperlich gegen Menschen vorging. Warum ist er da so heftig?

Das ist schon hart! Was daran ist denn eine „gute Nachricht?“ kann man sich fragen. Bei einem Gespräch über diesen Text kam mir ein interessanter Gedanke.  Jesus hat nichts gegen Handel. Im Alten Testament erlaubt Gott klar, dass Leute, die auf Grund der Entfernung selbst keine eigenen Opfertiere zum Tempel bringen können, diese vor Ort kaufen und dann opfern können. Jesus hat nichts gegen Handel. Er hat aber etwas gegen Handel an diesem Ort.

Warum? Jesus weiß, dass wir Menschen Räume brauchen. FreiRäume. Zum Beispiel den Raum, um Gott zu begegnen. Ist dieser Raum mit allem möglichen vollgestellt, dann wird es erschwert, fast unmöglich, die Seele auf Gott auszurichten.

Wir Menschen brauchen unterschiedliche Räume: Raum für Stille und Gebet. Raum für Begegnung. Raum für Zartheit und Intimität. Raum für Freude und Spiel. Raum für konzentriertes Arbeiten. Das können physische Räume sein, die extra für diesen Zweck vorgesehen sind: Eine Kapelle, ein Schlafzimmer, ein Squash Court.

Es können aber auch Freiräume, die wir uns durch Definition schaffen. Etwa: „Das ist unsere Spiel-Zeit.“ Oder: „Jetzt ist Zeit zu reden.“ „Ich will nun konzentriert an diesem Projekt arbeiten.“ Oder „Lass uns diesen Abend für tiefe Begegnung nutzen.“

Kostbare Räume wollen geschützt werden

In der Regel drängen sich immer andere Dinge in die Frei-Räume rein. Verstopfen sie. Da wird der Ruheraum plötzlich vollgestellt mit allem möglichen Kram. Papiere auf dem Schreibtisch oder der Posteingang vom Computer lenken vom konzentrieren Arbeiten ab. Die Steuererklärung will noch gemacht werden oder die Wäsche gebügelt, oder…Plötzlich ist keine Zeit mehr – oder kein Raum mehr im Kopf – für entspanntes Miteinander.

Von einem Ehepaar habe ich gelesen, dass sie sich in allen Räumen der Wohnung stritten. Wenn sie sich stritten und einer wegging lief der andere hinterher. So dass alle Räume mit Streit gefüllt waren. Irgendwann einigten sie sich. „Streit ist normal. Er zeigt, dass wir Dinge verschieden sehen und erleben und noch keine Einigung gefunden haben. Doch wir wollen nicht, dass der Streit sich überall ausbreitet. Wir streiten nur noch auf der Bank im Flur.“ Wenn Streit aufkommt, gehen sie dorthin, streiten sich gründlich, bis sie fertig sind. Und dann ist gut. FreiRaum zum Streit.

Letztlich ist das ganze Swing-Konzept ein Konzept, um Räume zu schützen. Mir wurde vor Jahren bewusst: Damit das Leben gut und ausgewogen ist, brauchen wir Menschen als einzelne, Paare, Teams und Gruppen acht wesentliche Elemente: Kreativität, Ordnung, Sinn (etwas beitragen zu können), Höhepunkte, Energiespender, Beziehung, Reflexionszeiten und Ruhe. Fehlt etwas davon,verkümmert das Leben.

Wenn ich Swing-Seminare mache oder Leute zum Thema Leben in Balance coache, dann geht es letztlich immer darum: Wie kann ich diese Räume schützen. Wie kann ich dafür sorgen, dass nicht die ganzen anderen Dinge, die „man“ noch tun sollte, den LebensRaum nicht erdrücken. Vielleicht sollten wir lernen, mit der gleichen Radikalität, mit der Jesus es tat, Dinge aus den Räumen zu vertreiben, in die sie nicht gehören. Kostbare FreiRäume notfalls auch mit Körpereinsatz schützen.

Letztlich geht es auch auf dem Schiff um Räume. Es soll ein Ort sein, wo Menschen FreiRaum finden, über sich und ihr Leben, ihre Beziehung zueinander und zu Gott nachzudenken. Ein ganz realer Raum mit Wänden. Und ein zeitlicher, geschützter, begleiteter FreiRaum, der hilft, innerlich Raum zu schaffen.

Der erste Schritt auf dem Schiff war übrigens aufzuräumen. Es standen überall im Vorraum noch verschiedenste Gegenstände und Baumaterial voTriton, Hauptraum, m Vorbesitzer herum. Man konnte kaum durchlaufen. Das ist jetzt alles auf die Seite geräumt. Jetzt ist Raum da.  Raum zum Arbeiten, neu gestalten. FreiRaum.

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Ein Kommentar

  1. Hallo Kerstin,
    die Idee, den Streit nicht im ganzen Haus zu „verteilen“ find ich echt gut.
    Und auch den Gedanken die verschiedenen Räume zu schützen. (Das erinnert mich an ein kleines Heft, das mein Mann mal gelesen hat “ Die Tyrannei des Dringlichen“…)
    Ach und zum Aufräumen und Ausmisten. Ich praktiziere das seit Jahren immer wieder mal sehr intensiv (als Recycling-Künstlerin ist das UNBEDINGT erforderlich!) und finde das dann immer sehr befreiend und fühle mich auch selbst danach ganz „aufgeräumt“.

    Viel Spaß und auch Weisheit weiterhin dabei
    wünscht dir Chrissi

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