Man findet immer jemanden, dem es schlechter geht als einem selbst – sogar dann, wenn man nicht danach sucht.
Heute bin ich nach Feierabend noch zum Briefkasten gelaufen, Pfandflaschen wegbringen und Essen einkaufen. Weil ich möchte, dass die Gäste sich an Bord sofort willkommen fühlen, bin ich noch zu einem kleinen Blumenladen gegangen, um Heidekraut zu kaufen, das im Herbst / Winter etwas Fröhlichkeit verbreiten sollte.
Der Blumenladen befindet sich in einem Gebäude, in dem bis Ende August ein Supermarkt war. Der wurde geschlossen. Ich dachte mir schon, dass ohne Laufkundschaft die Geschäfte wohl eher schlecht gehen und entschied mich, das Heidekraut dort zu holen.
Die Inhaberin war Asiatin, die eine Hälfte ihres Gesichts sah zertrümmert aus. Eine Schusswunde? Ein Tumor? Und auf meine Frage, wie es so geht, erzählte sie mir, dass sie noch im Mai 2016 den Mietvertrag verlängert hat – im Juni erfuhr sie dann, dass der Supermarkt schließt. Der Besitzer wusste das wohl, informierte sie nicht. Ohne die Laufkundschaft hat ihr Geschäft keine Chance, auch wenn einige Stammkunden nach wie vor zu ihr kommen. Sie steht um zwei Uhr Morgens auf – vermutlich um zum Blumengroßmarkt zu gehen, arbeitet bis 18.00 – ohne Einkommen. Was für ein Leben!
Ich gebe zu – mich belastet die Situation in meinem Verlag. Es ist schwer, wenn der Verdienst an vielen Stellen weggefressen wird. Aber dennoch geht es mir relativ gut. Ich habe keine hohen Verpflichtungen – von Schiffsmiete mal abgesehen. Ich habe neben dem Verlag noch weitere Verdienstmöglichkeiten wie Coaching und Seminare. Ich habe ein robustes Vertrauen in den Gott, der mich bisher noch nie im Stich gelassen hat – auch wenn seine Vorstellungen von “Glauben prüfen” manchmal etwas zu herb für meinen Geschmack sind.
Und ich habe Freunde, viele Freunde, die mich ermutigen, stärken, tragen und unterstützen.
Ich weiß nicht, was diese Frau hat. Auf jeden Fall seit heute eine Stammkundin. Im Winter tun Blumen unendlich gut. Ich will mir jetzt jede Woche einen kleinen Strauß Blumen kaufen – natürlich bei ihr. Und beten, dass Gott Wege und Lösungen schenkt. Und sie wieder ein Einkommen hat.