Wenn man weiß, worüber man schreiben will – in meinem Fall die lebensspendenden Sätze, die ich ich im Laufe von 50 Jahren entdeckt habe – ist noch die Frage wichtig, wie man das Ganze zusammenstellt und komponiert. Das ist durchaus eine Kunst – so ähnlich wie die Komposition eines Musikstücks, das von gleichmäßigen Takten aber auch dramatischen Höhepunkten lebt.
Das mit den Pausen gilt übrigens nicht nur für den Text, sondern auch für den Schreibprozess. Ich habe an den meisten Tagen nur etwa zwei oder drei Stunden geschrieben – weil das Gehirn nach intensiven, kreativen Phasen auch Zeiten des Nichtstun oder der Beschäftigung mit anderen Dingen braucht.
Rahmen entwerfen
Mir ist es wichtig, dem Leser einen klaren, stabilen Rahmen zu geben, an dem er sich orientieren kann – quirlig bunt und inspirierend darf es dann durch die Inhalte werden.
Ich habe mich also hingesetzt und all die Sätze aufgeschrieben, die mir wichtig sind. Und meine Freunde gefragt, welche guten Sätze sie von mir oft hören. Manchmal musste ich lachen – wie etwa als mein Grafiker sagte, welcher Satz von mir ihn am meisten geprägt und massiv Stress reduziert hat: Was geht, geht. Was nicht geht, geht nicht!
Einzelne Sätze machen noch keine gelungen Komposition – dazu ist ein ordnendes Prinzip nötig. Ich habe SWING gewählt, ein von mir entwickeltes Konzept zur Full-Life Balance (Work-Life Balance mag ich gar nicht, weil das indirekt vermittelt, dass Arbeit im Gegensatz zum Leben steht. Das empfinde ich anders. Arbeit kann ein wunderbarer Teil des Lebens sein).
Anschließend habe ich die Sätze den einzelnen Kapiteln zugeordnet. Ich verplane nur etwa 3/4 des vorhandenen Platzes – der Rest entwickelt sich von selbst.
Die meiste Arbeit habe ich tatsächlich mit Papier in der Hand gemacht. So sehr ich es liebe, am Laptop zu schreiben und meine Finger über die Tasten huschen zu lassen, so klar ist mir auch, dass ein Computer das Denken auf eine viereckige Box reduziert. Das ist für Kreativität nicht förderlich.
Denken mit PC und Papier
Inspiriert von Kreativitätsmensch Austin Kleon und der Methode des Design thinking hab ich bewusst mit Stift und Papier geplant – Kleon geht so weit, dass er zwei verschiedene Schreibtische hat. Einen für den PC, den anderen für alles, was sein Gehirn dabei braucht, um kreativ zu sein. Stifte, Papier, Knete, Kleber, Schere und einen großen Papierkorb für all die ersten Ideen, die dann doch nicht sooo gut sind.
Ein Beispiel:
Am Ende des Prozesses waren noch vier Seiten übrig. Das lag daran, dass die Zahl der Buchseiten aus technischen Gründen immer durch 16 oder 8 teilbar sein muss – es passen meist 8 oder 16 Seiten auf einen Druckbogen. Michael Zimmermann, der das Buch für den Druck vorbereitete, fragte mich: Was willst du auf den vier neuen Seiten unterbringen? Ich saß vor dem PC und mir fiel beim besten Willen nichts Vernünftiges ein.
Bewegung kam erst in mein Hirn, als ich die Seiten ausgedruckt hatte. Und dann auf weißen Blättern notierte, womit die Zwischenseiten gut gefüllt werden könnten. Ich schob die Blätter hin und her, kritzelte und ergänzte – bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war.
Dann schrieb ich die Inhalte auf dem PC ins Reine und lehnte mich zufrieden mit dem Ergebnis zurück. Und selbst Heinz, der Hahn, mein Begleiter in guten wie in bösen Tagen, scheint zufrieden zu sein.