Das Schiff ist fertig geschweißt, alles ist dicht, wir müssen nur noch mit Unterbodenfarbe streichen, dann sind die Werftarbeiten fertig. Bei dem nasskalten Wetter kann man leider nicht streichen, deshalb machen wir jetzt eine Pause. Eine gute Gelegenheit, um etwas Hintergrund zu erklären.
Das Schiff ist aus Stahl. Das Wasser im Kontakt mit Eisen erzeugt eine Galvanische Zelle ( Batterie ) wobei der Sauerstoff in Kontakt mit dem Eisen Korrosiv wirkt und der Stahl dann korrodiert und verrostet. Schon alleine der Kontakt des Stahls mit dem Wasser führt dazu, denn Stahl und Wasser vertragen sich prinzipiell nicht. Der Stahl geht dann früher oder später kaputt.
Um das zu verhindern, werden am Schiff sogenannte Opferanoden angebracht. Das sind – vereinfacht gesprochen Klumpen aus aus minderwertigerem Metall. Die opfern sich wie der Name schon sagt, selbst auf. Werden als erstes zerfressen, der Stahl des Schiffes bleibt dadurch geschützt.
In der Regel bestehen die Opferanoden bei Schiffen im Meerwasser aus Zink, bei Schiffen in Süßwassergebieten aus Magnesium. Magnesiumanoden können auch im Brackwasser verwendet werden. Sie bieten vollen Schutz, werden aber schneller als Zinkanoden abgebaut.
Die Opferanoden (der graue Klumpen auf dem Bild oben) werden alle paar Meter an der Außenwand des Schiffes angebracht. Damit die Spannung zu den Opferanoden geleitet wird, wird das Schiff darüber hinaus mit einer metallhaltigen, leitfähigen Farbe gestrichen (Unterwasseranstrich).
Bei meinem Schiff sind da ein paar Sachen schief gegangen. Vermutlich beim letzten großen Werftbesuch wurden einige Anoden neu angebracht. Nur irgendwelche Helden haben das Schiff mit einer Mischung aus Zink – und Magnesiumanoden bestückt. Die heben die Wirkung gegenseitig auf. Außerdem wurde das Schiff nicht mit metallhaltigem leitfähigem Lack gestrichen. Das Ergebnis: Der Korrossionsprozess konnte im vollen Umfgang stattfinden.
In hinteren Teil des Schiffes (Heck), der in der Regel ohnehin immer mehr angegriffen ist, war der Stahl ziemlich kaputt. Zum Teil nur noch einen Millimeter dünn oder ganz verrostet – allein durchs Abspritzen auf der Werft, brachen Löcher aus. Das Heck war der Bereich, der bei der Besichtigung vor dem Kauf nicht zugänglich war. Da der Stahl an anderen Stellen gut bis sehr gut war, haben uns die Schäden, die in der Heftigkeit nicht zu erwarten waren, richtig überrascht.
Jetzt ist alles geschweißt. Demnächst bekommt das Schiff noch einen Unterwasseranstrich. Der ist 3-schichtig. Eine leitfähiger Primer (erste Schicht), dann Farbe und dann Antifouling, das verhindert dass sich Muscheln und Algen am Boot ansetzen. Dann kommen neue, gute Opferanoden aufs Schiff. Dann ist Ostern….
Auch im symbolischen Sinne. Für mich ist die Renovierung am Schiff zu einem interessanten Gleichnis für das Leben geworden. Wir alle fahren mit unserem Lebensschiff durch mal raue, mal stürmische Wellen. Ab und an schlagen wir Leck, wenn wir auf Eisberge oder Felsen rammen. Doch diese großen Katastrophen sind eher selten.
Viel häufiger ist, dass unsere Stahlhaut durch innere Spannungen angegriffen wird. Wir stehen unter Strom. Und wenn wir das nicht gut ableiten, dann zerfrisst es uns. Früher oder später.
Da gibt es einen, der sich als Opferanode anbietet: Ich bin da, leite den Stress, den Schmerz, den Frust, den Ärger für dich ab. Doch wir werfen die Opferanode über Bord, denken, wir können es alleine schaffen…bis unser Stahl angegriffen oder zerfressen ist und wir im schlimmsten Fall Leck laufen sinken.
Erlösung heißt….da bietet sich einer an, die Schäden, die durch die Ablehnung der Opferanoden entstanden sind, zu reparieren. Das kann schmerzhaft sein. Da muss geschnitten, geschliffen, gehämmert und geschweißt werden, bis das Schiff wieder fahrtüchtig ist.
Ostern heißt: Ich bekomme einen neuen Anfang geschenkt. Die Möglichkeit vom Heiligen Geist liebevoll und schützend umhüllt zu werden (neue Farbe)….und die Möglichkeit, Schmerz und Spannung an den Erlöser (Operanode) abzuleiten. Und mit einem guten Kaptain und neuem Reeder wieder auf Fahrt zu gehen.
Für alle, die das tiefer verstehen wollen: Ich kenne ein geniales Buch, das den Austausch erklärt, der Ostern geschehen ist – was wir loswerden und was wir dafür bekommen. Das Quadro vom Rosemarie Stresemann: Im Bund mit Gott.
Ein paar deiner Statements zur Funktion und Wirkungsweise der Opferanoden sind nicht so ganz korrekt. Fangen wir mit den profanen Sachen an: Opferanoden können nicht flächenweise schützen. Sie sind dazu gedacht, bei kleineren Verletzungen in der Korrosionsschutzschicht den Stahl vor galvanischer Korrosion zu schützen, vor allem in Bereichen, in denen höherwertige, heißt, in der Spannungsreihe der Metalle höher stehende Elemente (Propeller aus Bronze, Borddurchlässe aus Messing etc.) in der Nähe sind. Daher werden an Rümpfen Anoden vermehrt über dem Propeller und neben Borddurchlässen angebracht. Anzahl, Gewicht und Anordnung der Anoden sind in den Richtlinien des GL zum kathodischen Korrosionsschutz vorgegeben – ebenso der Werkstoff. Werden Magnesium- und Zinkanoden gemischt, schützen die Magnesiumanoden die Zinkanoden. Zink steht höher in der Spannungsreihe und kann sich daher nicht für Magnesium opfern. Magnesium ist übrigens vom GL nicht als Anodenwerkstoff zugelassen, und seriöse Hersteller von Anoden (z.B. MGDuff) weisen auch darauf hin, dass Magnesiumanoden möglichst nicht eingesetzt werden sollen. In Brack- und Süsswasser können Aluminiumanoden eingesetzt werden. Wenn die Korrosion der Rumpfbeplattung tatsächlich so schnell und weit fortgeschritten war, wie du es beschrieben hast, würde ich nach einer anderen Ursache suchen, z.B. Fehler in der Bordelektrik, beispielsweise nicht fachgerechte Erdung. Dass der Primer oder die Grundierung leiten soll, ist mir auch neu. Üblicherweise wird dafür Zinkstaub oder Zinkphospat verwendet – Zinkstaub auf gestrahlten Flächen – , die Korrosionschutzwirkung ist aber auch hier auf die Stellung des Zinks in der Spannungsreihe zurückzuführen – die Leitfähigkeit ist nur ein Nebenprodukt. Sonst könnte man auch Kupfer direkt auf den Stahl streichen und hätte zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen – das Ergebnis wäre jedoch katastrophal. Der weitere Anstrich des Unterwasserschiffs soll in erster Linie verhindern, dass Wasser an den Stahl gelangt. Daher werden hier gerne gut abdichtende Farben wie zum Beispiel Teerepoxid (darf in DE jedoch nur von Fachbetrieben verarbeitet werden) in 3 bis 4 Schichten aufgebracht. Erst darauf folgt das Antifouling, möglichst ohne Kupfer. Damit die Geschichte länger als ein-. bis zwei Jahre hält, sollte der Stahl nach SA 2 1/2 sandgestrahlt werden. Mechanische Entrostung – also Schleifen oder Bürsten – ist deutlich teurer, da der gesamte Farbaufbau nach wenigen Jahren komplett erneuert werden muss – auch mit fachgerecht eingesetzten Opferanoden.
WOW!! Danke für die Erklärung!